Wirkungsweise der Massage - Seite 1

Quelle:
Hüter-Becker, Schewe, Heipertz: Physiotherapie, 1996

Mechanische Wirkung - Der Auspreßeffekt

Die Kenntnis über die deplethorische Wirkung der Massage ist seit langem bekannt. Bereits am Anfang des 19. Jhdt. haben französische Ärzte einen Einfluß auf das Lymphsystem beschrieben. Der Versuch von Lassars (1887) bestand in der Bestimmung der Geschwindigkeit des Lymphflusses. Experimentelle Werte haben gezeigt, daß der Lymphfluss durch Massage deutlich verbessert werden konnte. So hat sich nach einer Massage die Menge der ausgeflossenen Lymphe um das Achtfache, unter dem Einfluß chemischer oder thermischer Reize nur um das Zwei - bis Vierfache gesteigert. Moderne Verfahren haben diese Erkenntnisse bestätigt (Hentschel 1980).

Venenrückfluß

Die Wirkung von Massagegriffen im Bereich der Venen ist nur dann von Bedeutung, wenn die Geschwindigkeit des rückfließenden Blutstroms verlangsamt ist. Jedoch wurde von Hovind u. Nielsen 1973 durch nuklearmedizinische Untersuchungen festgestellt, daß durch Knetmassage eine signifikante Entleerung der Venendepots im Muskel erreicht wird.

Ausschwemmung von Flüssigkeit

Eine oft beschriebene Massagewirkung ist die verstärkte Diurese (Ausschwemmung). Es wird vermutet, daß durch das Auspressen der Körpergewebe während der Massagebehandlung vermehrt Flüssigkeit aus den interstitiellen Räumen in die ableitenden Systeme verlagert wird. Durch die Blutbahn gelangt diese Flüssigkeit in die Nieren und wird über den Harn ausgeschieden. Die Wirkung einer ableitenden Massage bleibt jedoch nicht auf das direkt beeinflußte Gewebe beschränkt. So ist es z.B. möglich nach operativen Behandlungen das umliegende Gewebe zu masieren ohne das betroffene Gelenk oder Areal zu tangieren und dennoch eine Ausschwemmung der Gewebsflüssigkeit zu erzielen.
Hinzu kommt eine neurovasalbedingte Resorptionssteigerung. Schaltstellen im Rückenmark bewirken im massierten Gewebe eine Gefäßerweiterung und erhöhen somit die Aufnahmebereitschaft der Kapillaren.

Lösung von Verklebungen

Es ist bekannt, daß fast jede Entzündung und Verletzung des Körpergewebes mit nachfolgenden Adhäsionen, meist zwischen elastischen und weniger elastischen Schichten, einhergeht. Elastische Gewebe, z.B. Haut oder Muskelfasern, verkleben mit unelastischen Geweben (Bindegewebe). Damit tritt eine Einschränkung der Verschieblichkeit und Dehnfähigkeit auf, die wiederum die optimale Funktion der Bewegungsorgane schmerzhaft hemmt. Verkürzte Muskeln in Verbindung mit Stoffwechselproduktablagerungen kommen einer Verletzung gleich, da der Muskel in seiner ursprünglichen physiologischen Funktionsweise und Anatomie gestört ist und sich umorientieren muß (siehe auch Ursachen von Verspanungen)

Werden diese Adhäsionen nicht beseitigt, so kann es durch Organisation von Bindegewebe mit Gefäßen zu Verwachsungen bzw. Schwielenbildung kommen. Ebenso findet man häufig schmerzhafte Verklebungen im Gewebe, hervorgerufen durch posttraumatische Hämatomreste (Blutreste nach Verletzung) oder Stoffwechselprodukte. Den meisten Sportlern ist mittlerweile bekannt, daß sportliches Training in gesteigerter Form oder eine über längere Zeit ausgeführte ungewohnte oder anstrengende Bewegung/Haltung Mikroverletzungen in der Muskulatur verursacht. In geringer Zahl sind diese nicht spürbar, aber dennoch vorhanden. In höherer Zahl werden diese als Muskelkater wahrgenommen.

Eine Massage verbessert die Elastizität und leichte Verwachsungen können gelöst werden. Man geht davon aus, daß dies nicht nur auf die mechanische Mechanismen zurückzuführen ist. Eine Massage steigert auch die Enzymaktivität, so daß eine Fibrinolyse in Gang kommt. Dadurch werden narbige Verklebungen aufgelöst und die alte Verschieblichkeit der Gewebsschichten wiederhergestellt.

Dieser Effekt ist durch keine Übungsbehandlung zu ersetzten, dennoch unterstützt gezieltes Stretching diese Wirkung, da durch Dehnen zum Einen die Blutzirkulation gefördert wird und die Blutbahnen ihren ursprünglich zur Verfügung stehenden Platz erhalten, zum Anderen die Gewebsschichten zusätzlich verschoben werden und Verwachsungen/Verklebungen mechanisch gelöst werden.

Durchblutungsförderung

Bei allen Massagegriffen mit intensiver örtlicher Druckwirkung kann nach kurzer Behandlung eine deutliche Mehrdurchblutung beobachtet werden, die sich in Form einer Hautrötung zeigt. Diese Erkenntnis ist durch Hauttemperaturmessungen gesichert.
In wissenschaftlichen Untersuchungen konnte gezeigt werden, daß nicht nur die Haut eine Mehrdurchblutung erfährt, sondern auch die darunterliegende Muskulatur.
Diese Durchblutungsvermehrung wird ausgelöst durch die Freisetzung vasoaktiver Stoffe (z.B. Mastzellen, die mit einer Ausschüttung des Gewebshormons Histamin reagieren). Aber auch andere gewebswirksame Stoffe spielen eine Rolle. Diese Gewebshormone wirken als Reizstoffe auf z.B. die kontraktilen Elemente der Arteriolen und der Kapillargänge, wodurch am Wirkungsort durch Kapillarbildung bzw. Kapillarerweiterung eine Mehrdurchblutung entsteht. Zudem fördert Histamin eine erhöhte Durchlässigkeit der Gefäße, was wiederum den Ausschwemmungseffekt der Massage erklärt.